Freitag, 28. Februar 2014

Lissy Funk

von Gabi Mett

Das Ziel von TAFch, die Textilkunst in der Schweiz bekannter zu machen, war für mich der Anlass, einmal nicht nach vorne zu schauen, sondern auch herausragende Textilkünstlerinnen der Schweiz in der Vergangenheit aufzuspüren. Ich hatte vor langer Zeit in der Zeitschrift Textilforum das Bild einer Stickerei gesehen, die mich sehr beeindruckt hat. Sie ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Diese Stickerei sei von einer der bedeutendsten  Stickerinnen der Schweiz angefertigt worden, so der Kommentar. Leider habe ich den Namen zu dem Zeitpunkt nicht behalten und so blieb mir das Bild im Kopf, mehr aber nicht. Was hatte mich an der Arbeit so beeindruckt?  Zum einen die moderne Komposition und Anmutung, der reduzierte Einsatz der Farben, die dritte Dimension in der Stickerei und die gekonnte Flächenfüllung mit nur wenigen unterschiedlichen Stickstichen. Sie können sich wahrscheinlich schon denken, dass das Bild vom Mittwoch diese Arbeit zeigt.

Aber wer steckt nun dahinter? Der Zufall spielte mir einen Katalog in die Hände, in dem ich das Werk wiedersah. „Lissy Funk - a retrospective“ , so der Titel. Diese Retrospektive wurde 1988 vom Art Institute of Chicago organisiert und dort auch gezeigt. Sie wanderte weiter in das Deutsche Textilmuseum in Krefeld und anschließend in das Helmhaus in Zürich. Es war die erste umfassende Ausstellung dieser beeindruckenden Künstlerinnenpersönlichkeit. Wer war Lissy Funk? Die Künstlerin wurde 1909 als Lissy Duessel in Berlin geboren. Mit der Familie zog sie von Köln über München nach Dresden. Dort begann sie 1921 eine Tanzausbildung, fand aber bald heraus, dass das nicht ihr weiterer beruflicher Weg sein könnte, brach die Ausbildung ab und folgte der Familie im Jahr 1925 nach Mendriosotto ins Kanton Ticino. Dort fiel die Entscheidung, sich in Zukunft der Stickerei zu widmen. Sie beschreibt es im „ Artist`s Statement“ wie folgt: „Drawing and painting were too fast for me - I needed something that would grow from within, that I could create slowly, at my own pace. So I took needle and thread and embroidered two blue-and-white panels. The needle moved with sometimes seemed endless. I was gripped with the excitement by the posibilities needlework offers for artstic selfexpression. The technique presented me with a rich and limited world. I knew, it was for me. I became an embroiderer and worked day and night.“( Lissy Funk, A Retrospective, S.10)( Zeichnen und Malen waren zu schnell für mich. Ich brauchte etwas, das aus dem Inneren heraus wuchs, das sich entwickeln konnte in meinem eigenen Tempo. So nahm ich Nadel und Faden und stickte zwei blau-weiße Wandbehänge. Die Nadel schien sich in einer endlosen Bewegung zu befinden. Ich war gefangen von den Möglichkeiten, die die Handarbeit für die künstlerische Ausdrucksweise bot. Diese Technik beschenkt mich mit einer reichen, überschaubaren Welt. Ich wusste, das war mein Weg. Ich wurde Stickerin und stickte Tag und Nacht.) Eine Künstlerin, der die Malerei und das Zeichen zu schnell geht! Wie gut kann ich das verstehen. Ja, es ist auch bei mir die Langsamkeit, die ich an der Handarbeit so schätze, die Gedanken, die einfließen können, die Entwicklung von Ideen, das Hineinhorchen in das Material, in das Thema, in die eigene Bildwelt. 1937 sieht Lissy Funk zum ersten Mal große Tapisserien aus dem Mittelalter. Sie ist sehr beeindruckt. Diese und andere Werke aus der Zeit werden zu ihren Vorbildern. Sie studiert sie sehr intensiv und nimmt viele Ideen und Gestaltungselemente in ihre Arbeiten auf.


Ausschnitte aus Stickereien aus den Jahren 1937 und 1947 zeigen sehr deutlich diesen Einfluß. Sie selbst führt weiter aus, dass nach der Entdeckung dieser alten Werke das Interesse für die textile Kunst der folgenden Jahrhunderte geweckt war. Zwangsläufig führte es sie bis in die Gegenwart.  Diese neuen Arbeiten haben sie ebenfalls stark bewegt. Sie setzt sich mit Werken von Jean Lurcat, Le Corbusier und auch Magdalena Abakanowicz auseinander. Bei aller Begeisterung setzt sie aber ihren eigenen, ganz persönlichen Weg fort. Und der wird schwierig. Nachdem sie sich in den Jahren zuvor mit der Darstellung von der Natur, aber auch dem Menschen auseinandergesetzt hat, merkt sie, dass ihr diese Themen abhanden kommen. Sie glaubt, dass sie am Ende ihrer Arbeit angekommen ist. Nur sehr langsam findet sie einen Weg aus dieser Situation. „ I started looking into myself. I found stimuli - things I lived through und heard about - and I tried to bring them into being. I put them into my needle, and that is how I found myself... Slowly my very own world came into existence.“ ( Lissy Funk, A Retrospective, S.11)(Ich begann, in mich hineinzusehen. Ich fand Ansatzpunkte - Dinge, die ich erlebt oder über die ich gehört hatte und ich versuchte, sie zum Leben zu erwecken. Ich übergab sie meiner Nadel und das war der Weg, mich selbst zu finden...Langsam entstand meine ganz eigenen Welt.) Kann man es besser beschreiben? Ich denke, hier wird eine künstlerische Entwicklung auf den Punkt gebracht. Es ist eine von vielen künstlerischen Entwicklungsmöglichkeiten, aber mir spricht sie wirklich aus der Seele. Im weiteren führt sie noch aus, dass der kreative Prozess langwierig sei, das er auch einmal erfolglos sein kann und man immer und immer wieder beginnen muss. „Often, when I think that everything is totally lost, the wll hanging begins to walk, showing me the way. I follow, walking next to the tapestry with a needle in my hand. The feeling is wonderful. It is true happiness. We live together, and everything is fine.“( Lissy Funk, A Retrospective, S.12). (Manchmal, wenn ich denke, dass ich alles verloren habe, zeigt der Wandbehang den Weg. Ich folge ihm mit Nadel und Faden in der Hand. Es ist ein wunderbares Gefühl und wahres Glück. Wir leben zusammen und alles ist gut) 
Lissy Funk schuf so über hundert Bildteppiche. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und war unter anderem dreimal in der Biennale in Lausanne zu sehen. 1938 erhielt sie den Auftrag, einen Wandbehang für den Kantonsratssaal im Rathaus in Zürich zu gestalten. Er hat die Größe von 5 x 7m und wurde in sechs Jahren fertiggestellt.Weitere öffentliche Aufträge folgten. Von 1948 bis 1976 unterrichtet sie in der hauswirtschaftlichen Fortbildungschule in Zürich. Wir sehen hier eine Künstlerin, die in vielen Bereichen gewirkt hat. Eine wirklich starke Persönlichkeit.

Die folgenden Bilder zeigen einen kleinen Überblick über ihre Entwicklung.



Der unteilbare Rock, 1960, 127 x 175,3 cm, Stadt Spital, Triemli, Kanton Zürich


La Mattinata, 1975, 180,4 x 152,5 cm, the Textile Art Foundation, West Boothbay Harbor, Maine

In Memoria, 1978, 249 x 104,2 cm, private collection


Hell, 1986-88, 185,4 x 80,1 cm, private collection

Aus der Serie „Zwölf Miniaturen“
Beieinander, 1987, 28 x 25,4 cm,private collection
Das Haus winkt von fern, 1987, 20,3 x 19 cm, private collection

Natürlich kann eine einzelne Künstlerin eine solche Arbeit nicht alleine meistern. Und so sieht man zum Schluß nicht nur Lissy Funk bei der Arbeit, sondern auch ihre zahlreichen Mitarbeiterinnen.


Alle Abbildungen und Texte, auch vom Mittwoch, sind dem Katalog: Lissy Funk, a retrospective, The Art Institute of Chicago, 1988, Library of Congress Catalogue, Card-Number: 88- 34351, ISBN 0-86559-079-6, entnommen

3 Kommentare:

  1. liebe gabi
    beeindruckend, diese frau!! und es klingt in mir ähnliches an, von wegen der nadel, die sich ihren weg durch den stoff sucht. im moment sticke ich alles von hand! kann fast nicht die nähmaschine hervornehmen um meine ideen von strukturen und linien umzusetzen, obwohl es viel schneller gehen würde...und es wäre manchmal naheliegender, da die zeit um an meinen ausstellungsstücken zu arbeiten im moment eher rar ist. (zwischen all dem organisatorischen für "teximus1") aber es geht stetig voran......und es ist fast meditaitv, in der ruhe von hand zu sticken, ohne radio und nähmaschinen-motoren-geräusche....
    herzliche grüsse in den norden!
    judith

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  2. Liebe Judith,

    schön, dass du die Erfahrung auch im Moment machst. So geht es doch langsam aber stetig weiter, der Druck für die geplanten Ausstellungen wird nicht ganz so groß und es ist interessant, was bei dieser Vorgehensweise entsteht.

    liebe Grüße Gabi

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  3. Danke für die Vorstellung dieser beeindruckenden Künstlerin, die ich bisher nicht kannte. Auch ich kann sehr gut ihre Äußerungen nachvollziehen, bin auch manchmal sehr langsam und folge dem Weg der Nadel. Aber das ist ja auch das Schöne, wie ich finde. Wie gut, dass wir wählen können, ob es schnell oder doch gemächlich geht, jedenfalls in den meisten Fällen....Herzliche Grüße Anette

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